„Formans erster Spielfilm zeichnet sich durch seine Leichtigkeit aus. Bildgestaltung und Ausdrucksfähigkeit sind hier in einigen Schlüsselszenen erkennbar, zum Beispiel bei einem Samstagstanz, wo verschiedene Handlungsepisoden mit dokumentarischem Blick zusammenlaufen. Auf diese Weise wird eine Atmosphäre der „Unterhaltung“ geschaffen und Charaktere werden festgelegt.”
Obwohl der sechszehnjährige Peter lieber am Swimmingpool liegen würde, um Mädchen zu beobachten, muss er stattdessen Kunden in einem Supermarkt überwachen, damit sie nichts stehlen. Er hat Probleme in der Arbeit, zum Beispiel als er einen verdächtigen Kunden im Supermarkt sieht, sich aber nicht traut, ihn anzusprechen. Zu Hause erhält er ständig Belehrungen von seinem pedantischen Vater, seine Freundin macht einem anderen aus dem Ort schöne Augen.
Mit Hilfe von Laiendarstellern und mit Jan Nemeceks poetischer Kameraarbeit fängt Milos Forman die Authentizität gewöhnlicher Sommertage in einer kleinen tschechischen Stadt zu Beginn der sechziger Jahre ein. Doch er drückt auch die Gefühle erwachender Rebellion in der Jugend des Ostblocks aus, nur wenige Jahre vor dem Prager Frühling.
Über den Film
Eine Serie von scheinbar unwichtigen Ereignissen im Leben des 16-jährigen Auszubildenden Peter. Gerade hat er seinen Sommerjob als Ladenassistent begonnen, doch schon bald lernt er, dass seine Hauptaufgabe darin besteht aufzupassen, dass die Kunden nichts aus dem Laden stehlen. Wahrscheinlich würde er lieber am Pool liegen, mit seinen Freunden sprechen und mit Mädchen flirten. Stattdessen steckt er im Supermarkt fest, wo er seinen herrscherischen Boss ertragen muss, und anschließend wird zu Hause von seinem Vater kritisiert. Sein Vater wird von dem hervorragenden Schauspieler Josef Vostrcil gespielt.
Neben einer Riege von Laiendarstellern brilliert der Schauspieler Vladimir Pucholt in der Rolle des ständig angebenden Maurerlehrlings Cenda, dessen lautes „Hallooooo” in der Tschecheslowakei schnell populär wurde und auch heute noch populär ist.
Obwohl der Film auf einem Roman von Formans engem Mitarbeiter Jaroslav Papousek basiert, passt sich der Regisseur dem Temperament der Laiendarsteller und professionellen Schauspieler so mitfühlend an, dass die Dialoge immer authentisch wirken, quasi wie Aufnahmen echter Konversationen. Die Fülle an leeren Phrasen, mit denen der Vater den apathischen Peter am Ende des Films bombardiert, sind eine brilliante Illustration des wechselseitigen Missverständnisses zwischen den Generationen.
Dieses Meisterwerk der beginnenden neuen Welle des tschechoslowakischen Kinos brachte etwas auf die Leinwand, woran der tschechoslowakische Kinogänger nicht gewöhnt war – eine authentische Botschaft über die Suche der jungen Leute und über die Lücken zwischen den Generationen; eine Botschaft, die in ihrem Subtext auf die Dekadenz der gesellschaftlichen Beziehungen jener Zeit hinweist.
Wissenswertes
- Der Film gewann den ersten Preis beim Filmfestival von Locarno, wo er sogar die berühmtesten Regiegrößen seiner Zeit schlug, zum Beispiel den Initiator der Novelle Vague Jean-Luc Godard und seinen Film Die Verachtung oder den Italiener Michelangelo Antonioni mit seinem Film Die rote Wüste.
- Der schwarze Peter hatte ein sehr niedriges Budget, was angeblich der Grund ist, warum Forman Laiendarsteller in den Hauptrollen engagierte. Und trotzdem definiert sich die Poesie seiner frühen und späteren Produktionen gerade dadurch, denn auch bei späteren Filmen vertraute er auf mehr oder weniger unbekannte Schauspieler. Die einzige Ausnahme war Vladimir Pucholt, der damals im vierten Jahr an der Prager Akademie der musischen Künste (DAMU) studierte.
Milos Forman über den Film
- „Ich hatte lange auf eine Gelegenheit gewartet, um mit Vladimir Pucholt zusammenzuarbeiten. Ich fand ihn, als wir das Casting für den Film Großvaters Auto machten. Er war sehr jung und hatte ein unvergessliches Vorsprechen hingelegt, und ich habe ihn nie vergessen. Er war allerdings zu alt für den Protagonisten in Der schwarze Peter, also besetzte ich ihn als seinen Maurerkumpel. Ich habe drei Filme mit Pucholt gemacht, einem der talentiertesten Schauspieler, mit dem ich je gearbeitet habe.”
- „Ich konnte lange keinen Vater für unseren Gemüseladenlehrling finden. Ivan Passer arbeitete an einem Projekt mit Papousek und mir, und eines Abends schaute er sich den Bandleader der Gruppe aus Wenn´s keine Musikanten gäbe an. Irgendwie hatte er die Probesäle verwechselt und sah sich die falsche Band an. Er kam sehr aufgeregt zurück. „Du musst diesen Kerl sehen, Milos. Er ist ein echter Vulkan der Menschlichkeit.” Ivan hatte Recht. Ich besetzte den sechzigjährigen Bandleader für meinen Dokumentarfilm Wenn´s keine Musikanten gäbe schon am nächsten Abend. Ich fragte Vostricil, ob er nicht für den Vater in Der schwarze Peter vorsprechen wolle, aber er hat einfach abgelehnt. Es gab keine Blaskapellen in dem Film, und er hatte kein Interesse, als Angeber dazustehen. Er hatte in seinem Leben schon genug zu tun. Ich redete weiter auf ihn ein. Am Ende machte ich mit ihm einen Deal. Er würde für die Rolle des Vaters vorsprechen, und wenn ich ihn in der Rolle besetzen würde, würde ich einen Weg finden, eine Blaskapelle in das Drehbuch einzubauen. ”
- „Vostrcils Frau in Der schwarze Peter wurde von Frau Matuskova (Bozena Matuskova, Anmerkung des Redakteurs) gespielt, die wir während der Drehortsuche fanden. Wir waren gekommen, um zu sehen, ob ihr Haus ein gutes Zuhause für unseren Gemüsewarenlehrling sein könnte. Sie brauchte dringend Geld, also überließ sie nichts dem Zufall und hatte Buchty, kleine Teigtaschen mit Cremefüllung, gebacken. Das Haus war für unsere Zwecke perfekt und die Buchty waren köstlich. Und als ich diese aufmerksame, robuste grauhaarige Mama ansah, wie sie ihren gerissenen Zauber auf uns ausübte, hatte ich einen Geistesblitz. „Frau Matuskova, wie wäre es, wenn Sie die Mutter in unserem Film spielen würden?”
Der Einfall brachte sie zum Lachen“ „Ich? Für was halten Sie mich, einen Filmstar?”
„Warum nicht?”
„Ach, nun kommen Sie.”
„Sie würden uns sehr passen. Und wir würden Sie gut bezahlen.”
„Und was müsste ich tun?
„Sie würden einfach hier bleiben und Buchty backen.”
„Ok, das schaffe ich.”
Während wir den ganzen Morgen alles aufbauten, drängte sie jedem ihre Buchty auf. Sie waren köstlich, aber auch fettig und füllend. Jedes Mal wenn jemand ihre Buchty ablehnte, dachte sie, sie hätte als Schauspielerin versagt. Ich glaube nicht dass sie merkte, wann ihre Schauspielkarriere begann.
„Frau Matuskova”, fragte ich sie, „könnten Sie hier stehen und zugucken, wie sie streiten?” Und ich würde sie in der Einstellung platzieren.
„Das war wunderbar! Und jetzt möchte ich, dass Sie ihnen sagen, was Sie darüber denken, was der Junge gesagt hat. Sie mögen das nicht, nicht wahr? Der ist ziemlich frech, nicht wahr? Ok, Action!”
Frau Matuskova atmete tief ein und sagte den beiden Schauspielern ihre Meinung. Sie war absolute natürlich, frisch und spontan. Ihre Darstellung in dem Film war so perfekt wie ihre Buchty.” - „Ich arbeitete mit allen meinen Laiendarstellern auf eine ähnliche Weise, ich zeigte ihnen nie das Drehbuch. Ich hatte jedes Wort des Drehbuchs im Kopf, und ich würde damit anfangen, ihnen die Szene vorzuspielen, ihnen erklären, wonach ich suchte. Ich versicherte mich, dass sie verstanden, wovon die Szene handeln sollte und dass sie die Haltung der Charaktere verstanden. Dann begannen wir sofort, die Szene zu drehen. Meine Laiendarsteller merkten sich immer ein paar Dialogzeilen, die ich benutzt hatte und dachten sich den Rest aus. Wenn alles gut ging, waren die Darsteller einfach sie selber und die Worte aus ihren Mündern waren immer exakt die richtigen.”
- „Die schwierigste Szene in Der schwarze Peter kam gegen Ende des Drehs, und es war ein Produktionsalbtraum. Wir brauchten eine lange Szene während des Tanzes, aber ich hatte kein Geld, um Komparsen zu engagieren. Es war Sommer und so entschieden wir uns, eine Schlittschuhhalle und eine Band in Kolin zu mieten, eine Party für Samstagabend zu schmeißen, ‚Eintritt frei‘ auf die Türen zu schreiben und die Szene mit den Leuten zu drehen, die kamen. Innerhalb von vier Stunden – von acht bis Mitternacht – mussten wir sieben Minuten Filmlaufzeit drehen. Es gab keine zweite Chance.”
Kritiken
Englisch
New York Times (Roger Greenspun)
Time Out Magazine
Sense of Cinema (Adam Bingham)
Film4.com
Socialistfilms.org
Stuffodreams.blogspot.com
Tschechisch
Odaha.com (Tomáš Odaha)
Národní filmový archiv (Eva Urbanová)
Filmportal.cz (Michaela Hermanová)
Britské listy (Bruno Solařík)
Französisch
Les InRocks (Dominique Marchais)
Drehorte
Tschechoslowakei (heutige Tschechische Republik)
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Kolin
- Karlsplatz
- Peter trifft seinen Freund Tonda und sie sprechen über sein gestriges Date.
- Kmochs Insel
- Peters Vater dirigiert das Kmoch-Blaskapellenkonzert.
- Prager Straße, Zlata Straße und Prikra Straße
- Peter verfolgt einen vermeintlichen Dieb aus einem Supermarkt.
- Ehemaliges Hotel Savoy-Gebäude in der Rubesova Straße
- Peter trifft seinen Freund in einem Café.
- Schlittschuhbahn in der Brankovicka Straße
- Tanzparty.
- Brankovicka Straße
- Die Einstellung einer Fähre und der Umgebung.
- Fluss Alte Elbe
- Die Jungen springen von einem hohen Pier und bringen fast ein Boot mit Mädchen zum Kentern.
- Umkleide im Schwimmbad bei der Starokolinska Straße
- Nachdem er sich seine Badehose angezogen hat, läuft Peter aus der Umkleide zum Swimmingpool.
- Zahradni Straße
- Das Haus von Peters Freundin Pavla.
- Podskalske Ufer
- Peter hat ein Date mit Pavla.
Auszeichnungen
Veranstaltung | Ort | Auszeichnung | Kategorie | G/N |
---|---|---|---|---|
1964 | ||||
Locarno Internationales Filmfestival | Locarno Schweiz | Goldenes Segel | Bester Film | ![]() |
1967 | ||||
Jussi Verleihung | Helsinki Finnland | Jussi |
Bester ausländischer Regisseur Milos Forman | ![]() |
Besetzung und Crew
Barrandov Film Studios presents | |
Story and Screenplay by | Jaroslav Papousek, Milos Forman |
Starring |
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Apprentice Peter | Ladislav Jakim |
Pavla Vrbova | Pavla Martinkova |
Peter's father | Jan Vostrcil |
Mason's apprentice Cenda | Vladimir Pucholt |
Peter's friend Lada | Pavel Sedlacek |
Cenda's friend Zdenek | Zdenek Kulhanek |
Shop manager | Frantisek Kosina |
Mason master | Josef Koza |
Petr's mother | Bozena Matuskova |
Supporting cast |
|
Customer | Antonin Pokorny |
Storekeeper | Jaroslav Kladrubsky |
Thief | Frantiska Skalova |
Franta Mara | Jaroslav Bendl |
Pavla's friend | Majka Gillarova |
Girl | Jaroslava Razova |
Girl | Dana Urbankova |
Girl | Zuzana Oprsalova |
Lada's friend | Frantisek Prazak |
Music by | Jiri Slitr |
Music Played by | Ferdinand Havlik´s Orchestra and Nonet ZK Tatra Kolin |
Sung by | Pavel Sedlacek, Marketa Petrankova, Eva Ulihrachova |
Set Designer | Karel Cerny |
Assistant Designer | Milos Cervinka |
Wardrobe | Barbora Adolfova |
Set Decorator | Vladimír Mácha |
Make up | Frantisek Novotny |
Sound Effects | Bohumir Brunclik |
2nd Camera Operator | Karel Hejsek |
Camera Assistant | Vratislav Damborsky |
Assistant Editor | Anna Mejtska |
Gaffer | Antonin Ruzicka |
Still Photographer | Jaromir Komarek |
Assistant Production Manager | Antonin Kubovy, Jaroslav Vlk, Jiri Ulrich |
Continuity | Lilian Havlickova |
First Assistant Director | Ivan Passer |
Sound | Adolf Böhm |
Film Editor | Miloslav Hajek |
Production Manager | Rudolf Hajek |
Director of Photography | Jan Nemecek |
Directed by | Milos Forman |
Production Unit | Jiri Sebor, Vladimir Bor |
Processed at the Barrandov Film Laboratories, Prague | |
© 1963 Barrandov Film Studios |